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09/05/2017

Horror?

Bei Genres hat jeder seine eigene Meinung, was ein bestimmtes Genre bedeutet und was davon zu erwarten ist. In der Musikbranche werden neue Genres erfunden, die die Musik besser beschreiben, daher kommen Begriffe wie Deep Filthstep und Brutal Deathcore. Filme halten sich überwiegend an einfachere Begriffe wie Action, Thriller, Liebesfilm und den alten Klassiker – europäisches Gerichtsdrama mit einer starken Hauptdarstellerin.

Spielgenres befinden sich irgendwo dazwischen mit ihrer Liste von Untergenres, die länger wird, je ambitionierter die Spiele werden. Nehmen wir nur mal Thumper, eins meiner Lieblingsspiele der letzten Zeit: Da hätte sich als Beschreibung auch „Musik-” oder „Rhythmus-Action-Spiel” angeboten; die Genres sind bekannt, und jeder hätte sich darunter etwas vorstellen können. Aber es bringt das Spielerlebnis einfach nicht so auf den Punkt wie „brutales Rhythmusspiel”. Ich sehe diese Schwierigkeit in der Klassifizierung als gutes Zeichen für die ständige Weiterentwicklung von Spielen, aber wenn man sich schon hinstellt und sagt: „Hey, seht euch unser cooles neues Spielgenre an!”, dann kann man’s auch gleich richtig machen! Bei unseren ersten Versuchen, Little Nightmares zu beschreiben, haben wir uns ziemlich durch die Genres hindurchgestottert:

„Also, es ist irgendwie eine Art knuffiges, schmuddeliges Adventure mit Jump'n'Run-Elementen, aber viel mehr Atmosphäre ... ja, und es gibt jede Menge zu erkunden, und gruslig ist es auch oft!”

Bei einer so prägnanten Beschreibung unserer Vorstellungen – wie hätte Namco-Bandai da nein sagen können! Aber wir mussten ja trotzdem irgendeine Beschreibung finden, und so haben wir uns schließlich auf „Suspense-Adventure” geeinigt, um das Spiel etwas genauer zu beschreiben, ohne gleich auf etwas Abgedrehtes wie Grimehouse DollSplat Funcore zurückzugreifen.

Andererseits, jetzt, wo ich das jetzt so geschrieben sehe ...

 

Der springende Punkt ist, dass wir Little Nightmares von Anfang an nicht als typisches Genre-Spiel gesehen haben. Das Spiel sollte für den Spieler möglichst vielseitig sein, und mit einer Klassifizierung als Jump'n'run, Adventure oder Horror hätten wir einfach zu viel anderes ausgeklammert. Also haben wir uns für ein ganz neues Genre entschieden, das hoffentlich weniger Ballast mitbringen würde.

Also Aufgabe erledigt? Na ja, mehr oder weniger.

Denn wie sehr wir uns auch dagegen sträuben, sehen viele Little Nightmares dennoch als Horrorspiel. Haben sie recht? Tja ... mehr oder weniger!

Es gibt ja durchaus Horrorelemente im Spiel – den Koch, die unheimliche Atmosphäre, all das Fleisch überall – aber hätten wir es ein Horrorspiel genannt, würden die Leute auch ein „Horrorspiel” erwarten. Ein Spiel, in dem Zombies, Dämonen, Gewalt und Blut neu und überraschend dargestellt werden. Bei Little Nightmares schwebte uns aber etwas ganz anderes vor.

Little Nightmares ist eine dunkle Erkundung der Kindheit. Ich meine damit, dass wir diese frühesten Elemente kindlichen Erlebens – Aspekte wie Einsamkeit, Verletzlichkeit, Spieltrieb, Abenteuer, Angst, Surrealität – genommen und dann verdreht und verzerrt und vergrößert haben, bis sie sich neu und überraschend anfühlten. Und das haben wir bei so ziemlich allem gemacht, was zu sehen ist. Der Schlund und alles, was darin ist, hat eine gewisse Verbindung zur Realität, und er ist da, um dieses Gefühl widerzuspiegeln, dass man ein Gefangener in der Welt eines anderen ist.

 

Na, dieser letzte Satz wird wohl kaum wen überzeugen, dass Little Nightmares mehr als eine beklemmende Orgie des Elends ist! Ich will es mal etwas näher erläutern ...

Ein Kind zu sein ist eigenartig, und ich finde es wirklich schwierig, das irgendwie nüchtern zu betrachten, weil ich ja – auch wenn meine Mutter das Gegenteil behauptet – inzwischen erwachsen bin. Erinnerungen an die Kindheit sind einfach nicht verlässlich, weil sie von der Zeit, von Fotografien und der Freude an einer guten Geschichte neu gemischt werden. Wir haben nur winzige Erinnerungsstückchen, die nebeneinander existieren, aber in total unterschiedlichen Segmenten des Spektrums von guten/schlimmen Erinnerungen.

Ich weiß zum Beispiel noch, wie mich mal ein furchterregender alter Mann an der Kehle gepackt hielt, weil er dachte, ich würde ein Telefonhäuschen verwüsten, aber auch, wie ich stundenlang in meinen brandneuen Thermo-Socken durch den Garten hüpfte, bloß weil die sich so „federnd” anfühlten. Eine gute Erinnerung, eine schlimme, aber beide in der Schublade mit der Aufschrift „Kindheit”.

Was ich damit sagen will – glaube ich – ist, dass Kinder in schlimmen Situationen verletzlich sind, aber immer auch offen für großartige Momente. Das ist für mich das Beste daran, ein Kind als Hauptcharakter zu haben, denn sie finden Gelegenheiten, Spaß zu haben und Streiche zu spielen, egal, wo und mit wem sie zusammen sind! Wir brauchen die Momente, in denen wir im Schlund Spaß haben, nicht zu rechtfertigen, weil sie sich einfach so natürlich anfühlen.

Während es also in Little Nightmares viel Schrecken gibt, gibt es auch viel Freude und jede Menge dazwischen. Die Welt um Six herum kann ein grotesker und schreckenerregender Ort sein, aber das heißt doch nicht, dass sie nicht trotzdem Spaß haben kann!

LITTLE NIGHTMARES

Veröffentlichungsdatum:
Beschreibung:

Erlebe die Welt von Little Nightmares, eine düstere, zauberhafte Geschichte, in der du dich deinen Kindheitsängsten stellst und Six dabei hilfst, aus dem Schlund zu entkommen.

Plattformen:
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